Ein Herz für die Rondelle

Porträt / Zentralschweiz am Sonntag
Niemand verkauft am Luzerner Fest so viele Herzrondellen wie Rita Tresch. An den zwei Tagen ist die Buochserin nonstop unterwegs. Ein Lehrstück in Sachen Verkaufsstrategie.

Ansprechen, ansprechen und nochmals ansprechen. Berührungsängste kennt RitaTresch keine. Die Buochserin ist eine von zahlreichen Verkäuferinnen und Verkäufern, die für das Luzerner Fest sogenannte Herzrondellen verkaufen. 10 Franken kostet eine Herzrondelle, 1 Franken darf die 58-Jährige für sich behalten. Der Rest kommt der Stiftung «Luzern hilft» zugute, die gemeinnützige Organisationen und soziale Projekte im Kanton Luzern unterstützt.

Es ist Samstag, 14 Uhr, das Luzerner Fest nimmt gerade Fahrt auf. Auf dem Kapellplatz singt die Sängerin Diana im Dirndlkleid einen Schlagersong über Appenzeller, einige Fans gesetzteren Alters schunkeln und klatschen vor der Bühne mit.

Nuancen entscheiden über Erfolg oder Misserfolg

Mitten im Gewusel der Leute steht Rita Tresch – mit einem leuchtend gelben T-Shirt bekleidet, einer Umhängetasche über der Schulter, in der sie Dutzende Rondellen dabeihat, und einer Bauchtasche fürs Wechselgeld um die Hüfte. Treschist eine Rondellenverkaufslegende. Niemand verkauft mehr Stück als sie – seit Jahren. 620 Rondellen hat sie letztes Jahr verkauft. Jetzt – stand Samstag, 14 Uhr – sind es bereits wieder über 500. Was ist das Rezept dieser Topverkäuferin?

Wer Rita Tresch bei ihrer Verkaufstour begleitet und sie mit einigen Metern Abstand beobachtet, dem fallen mit der Zeit Nuancen auf, die über Erfolg und Misserfolg des Verkaufs entscheiden. Die Rondellenverkäuferin spricht jeden an, der oder die ihr über den Weg läuft. Ausnahmslos. «Herzrondelle für einen guten Zweck?», fragt sie die Festbesucher. «Für einen guten Zweck.» Dieser Zusatz sei wichtig, weil die Besucher dann gleich etwas Sinnvolles in der Rondelle sehen. «Es reicht nicht, einfach nur dazustehen und die Rondelle hochzuhalten. Auch einfach rumzulaufen und nichts zu sagen, bringt es nicht. Die Leute rufen dir ja nicht nach, dass sie eine Rondelle kaufen wollen», sagt Tresch. Auch klappert sie sämtliche Tische ab, geht zu den Menschen hin und bleibt dann etwa zwei Sekunden länger vor ihnen stehen als nötig. Sie verleiht der Situation so auf subtile Art ein bisschen Nachdruck, sodass im Hirn der Besucher aus einem ersten, reflexartigen «Nein, danke!» ein «Ja, warum eigentlich nicht?» wird.

So läuft sie dem Schweizerhofquai entlang, wo die Stände von Vereinen bereits die ersten Drinks ausschenken. Die Sonne brennt vom Himmel, es ist jetzt 30 Grad heiss, Tresch gönnt sich keine Pause. «Die Herren, noch eine Herzrondelle?», fragt sie. «Nein, danke. Wir sind auf dem Heimweg», hört sie als Antwort. Tresch nimmt solche Absagen wortlos entgegen. «Es bringt nichts zu diskutieren. Da verliere ich nur zu viel Zeit.» Auch mache es ihr nichts aus, wenn viele Leute nacheinander keine kaufen. Sie findet es aber schade.

Entdeckt Rita Tresch hingegen, dass sich jemand die Rondelle bereits an den Hemdkragen gesteckt hat, bedankt sie sich höflich beim Festbesucher.

Angefangen hat alles vor etwa sechs Jahren, als Rita Tresch ihren vier Kindern beim Aufbessern des Sackgeldes helfen wollte. Tresch ist alleinerziehend. «Ich wollte ihnen zeigen, dass das Geld nicht einfach aus dem Automaten kommt, sondern dass man dafür etwas tun muss.» Noch heute sind auch ihre Kinder mit Herzrondellen unterwegs.

Als die Herzrondellen in ihrer Tasche immer weniger werden, beschliesst RitaTresch, das Büro des Luzerner Festes aufzusuchen, um Nachschub zu holen. Im ersten Stock des Hotels Schweizerhof, in einem edlen Zimmer mit Teppich, Gemälden an den Wänden und einem Kristallkronleuchter an der Decke, beschafft sich die Verkäuferin 50 weitere Stück. «Dass ich hier im ‹Schweizerhof› ein und aus gehen kann und mich die Leute an der Bar oder hinter der Réception kennen, macht mich schon ein wenig stolz.»Rund 200 Verkäuferinnen und Verkäufer im Einsatz

Rund 200 Verkäuferinnen und Verkäufer im Einsatz

Besonders Freude habe sie auch gehabt, als der Musiker Philipp Fankhauser ihr eine Rondelle abgekauft hat. Tresch zeigt ein Foto auf ihrem Smartphone, das Fankhauser mit seiner Rondelle zeigt. Im Büro ist auch Tamara Grob, die für den Rondellenverkauf beim Luzerner Fest zuständig ist. Das Rondellenverkaufen sei ein hartes Geschäft. Von 100000 Besuchern habe letztes Jahr nur etwa jeder Zehnte eine Herzrondelle gekauft. «Der Benefizgedanke fehlt ein bisschen. Dabei wird ja so viel geboten, ohne dass man etwas zahlen muss.» Gut 200 Verkäuferinnen und Verkäufer seien in diesem Jahr unterwegs.

Mit neuen Rondellen macht sich auch Rita Tresch wieder in die Menschenmenge. Vor dem Hotel Schweizerhof verkauft sie gut, ebenso an der Bahnhofstrasse, wo aus den Boxen der Bars laute Musik dröhnt. Als sie ein Lied von Frank Sinatra hört, wippt Rita Tresch leicht mit. «Jetzt bin ich in meinem Element», sagt sie. Beim Verkaufen am Luzerner Fest könne sie eben komplett abschalten, «das Hirni» sei dann total leer, ein schönes Gefühl. «Ich wünschte, das wäre im Alltag auch so», sagt sie noch und wendet sich gleich dem nächsten Pärchen zu, das vorbeiläuft. «Noch eine Herzrondelle für einen guten Zweck?» Rita Tresch hat keine Zeit für Interviews.

Bild: Jakob Ineichen (www.jakobineichen.ch)


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